Englisch oder eine andere Sprache?
Zum Fremdsprachenunterricht an der Grundschule
Dieser Beitrag ist abgelaufen: 28. März 2005 00:00
Anlässlich einer aktuellen Diskussion im Raum Augsburg nehmen die Augsburger Fremdsprachendidaktiker Prof. Dr. Fritz Abel (Lehrstuhl für Didaktik des Französischen) und Prof. Dr. Konrad Schröder (Lehrstuhl für Didaktik des Englischen) zum Thema "Fremdsprachenunterricht an der Grundschule" wie folgt Stellung:
"Das Englische ist heute in Deutschland eigentlich keine Fremdsprache mehr. Es ist fast wie eine Zweitsprache überall präsent. Die Berliner Stadtreinigung kann auf großen Plakaten mit dem Satz 'We kehr for you' auf sich aufmerksam machen und sicher sein, von den meisten Lesern verstanden zu werden. Man erwartet von allen Deutschen, die sich im fremdsprachigen Ausland bewegen, mindestens die Fähigkeit, sich auf Englisch informieren und verständigen zu können. Daran kann kein Zweifel sein. Ein effizienter verpflichtender Englischunterricht für alle Heranwachsenden ist eine Selbstverständlichkeit. Er dauert zu Recht auf dem Gymnasium, den Realschulen und den Hauptschulen mindestens fünf Jahre.
Macht es da Sinn, dass Englisch auch bereits von allen Grundschülern gelernt wird? Wir sind gemeinsam nicht dieser Ansicht. Wenn Englisch an der Grundschule angeboten wird, haben andere Sprachen keine Chancen mehr. Der bayerische Grundschullehrplan sieht zu Recht auch den Französisch- und Italienischunterricht vor. Wer Englisch in der Grundschule ab der 3. Klasse lernt, erlebt einen um zwei Jahre verlängerten Englischlehrgang, ohne im Endergebnis erkennbar besseres Resultat, - und wird zugleich für den Unterricht anderer Fremdsprachen demotiviert. Man kann sich mit Englisch ja auch in Frankreich, Italien und den meisten anderen Ländern dieser Erde durchschlagen. Wenn uns wirklich die sprachliche und kulturelle Vielfalt Europas und der Welt am Herzen liegt, dürfen wir in den Grundschulen alle Sprachen unterrichten, nur nicht Englisch.
Auch ein nicht in der 5. Klasse fortgesetzter Fremdsprachenunterricht ist sinnvoll. Er verändert das kindliche Weltbild stärker als der Englischunterricht und bringt durchaus Ergebnisse, die später reaktiviert werden können. Es ist leichter, wieder in eine Sprache einzusteigen, als sie jenseits der Kindheit völlig neu zu beginnen. Zu dem Gesagten tritt ein weiteres gewichtiges Argument. Es gibt kein Schulfach, das immer nur Spaß macht. Wenn Englisch schon an den Grundschulen aus Mangel an realistischen Alternativen praktisch aufgezwungen wird, kann das früher oder später in irrationale Aggressionen gegen die Welt der Anglophonen umschlagen. Die weltweite Vorrangstellung des Englischen hat dazu geführt, dass die Anglophonen kaum Fremdsprachen lernen. Ihr sprachlicher Vorsprung kann in einer Kosten-Nutzen-Rechnung leicht als wirtschaftlicher Vorteil quantifiziert werden. Sprachlicher Imperialismus ist noch nie auf Dauer widerspruchslos hingenommen worden."
KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
Prof. Dr. Fritz Abel Lehrstuhl für Didaktik des Französischen Universität Augsburg 86135 Augsburg Sekretariat: 0821/598-2735 (8-11 Uhr) fritz.abel@phil.uni-augsburg.de
Prof. Dr. Konrad Schröder Lehrstuhl für Didaktik des Englischen Universität Augsburg 86135 Augsburg Sekretariat: 0821/598-2745 konrad.schroeder@phil.uni-augsburg.de